Warum nehme ich nicht ab? Von Glaubenssätzen und Problemzonen.

NLP im Alltag integrieren

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Als Fitnesstrainerin und Ernährungsberaterin habe ich nahezu täglich mit Menschen zu tun. Kommunikation mit anderen Menschen lässt sich nicht vermeiden. Obwohl ich selbst nicht einmal aktiv auf andere zugehe, werde ich im Fitnessstudio häufig angesprochen und um Rat gefragt. Ich gebe also Tipps und Hilfestellungen bei Körperübungen und an den Geräten. Oftmals spüre ich bereits beim Erstgespräch, dass diese Person, die mich eben nach einer speziellen Übung gefragt hat, mir etwas mitteilen möchte. Genauer gesagt, mir ihr Herz öffnen möchte. Durch dem Besuch eines Fitnessstudios, der oftmals mit Schweiß und Disziplin einhergeht und für manche Mitglieder fast eine Quälerei darstellt, haben es sich die Besucher zur Aufgabe gemacht, abzunehmen. Gerade im Januar schreibt das Studio zahlreiche neue Verträge. Stichwort „Neujahrsvorsatz – dieses Mal schaffe ich es wirklich! Dieses Mal nehme ich wirklich ab! Dieses Mal zeige ich es den Leuten wirklich, dass auch ich schön (und schlank) sein kann!“Wer kennt diese Gedanken nicht? Aber worum geht es hier wirklich?

Letzte Woche kam eine junge Frau auf mich zu. Mit weinerlicher Stimme sagte sie: „Irgendwie klappt gar nichts! Ich gehe vier bis fünf Mal die Woche ins Fitnessstudio, ich verzichte auf Süßigkeiten, an Weihnachten habe ich sogar auf Plätzchen verzichtet und es passiert einfach NICHTS! Ich nehme nicht ab.“ Im Nebensatz warf sie uns Trainern vor, wir hätten ihr einen falschen Trainingsplan geschrieben. Da meine Schicht zu Ende und sie ziemlich aufgewühlt war, vereinbarte ich mit ihr einen gemeinsamen Termin, in dem wir ihr Anliegen besprechen konnten. Im Kalender notierte ich: Gespräch wegen ausbleibendem Erfolg.

Mittwoch, 15:00 Uhr. V. (27, weiblich) kam die Türe herein und lächelte mich voller Erwartung an. Nachdem ich sie freundlich begrüßt und ihren Termin bestätigt hatte, fragte sie mich, wie lange der Termin ungefähr dauert, da sie später noch mit einer Freundin im Fitnessstudio verabredet sei. Während dieses kurzen Gesprächs konnte ich mit dem Rapport-Aufbau direkt beginnen. Wir vereinbarten, dass sie sich in der Umkleidekabine in Ruhe umzieht, während ich an der Theke auf sie wartete. Als sie kurze Zeit später in Sportbekleidung zurückkam, begleitete ich sie in unsere Lounge, in der wir das Gespräch führten. Auf dem Weg dorthin, erzählte sie mir, dass sie diese besagte Freundin angerufen hätte. Sie hatten sich hier im Fitnessstudio kennengelernt und würden seither des Öfteren zusammen trainieren. Den kleinen Smalltalk nutze ich, um Rapport aufzubauen. Während des Gesprächs achtete ich auf ihre Körperhaltung, ihre Gestik, ihre Mimik. Ich habe sie (eher unbewusst) gepacet: Füße überschlagen, vorgebeugte Körperhaltung, Haarsträhne aus dem Gesicht … Als Überleitung griff ich das Gespräch von letzter Woche auf und erinnerte sie, was sie mir an der Theke erzählt hatte. Während sie erneut bedauerte, dass „gar nichts klappt“, konzentrierte ich mich auf die Augenzugangshinweise. Ihre Augenbewegungen waren überwiegend nach unten gerichtet, ab und an blickte sie nach oben. Sie schien sich an Ereignisse zu erinnern, die sie traurig machten. Aufgrund ihrer Aussage „Irgendwie klappt gar nichts“ fing ich mit dem Meta-Modell an. Ich fragte sie zunächst, was genau nicht klappen würde und im Anschluss, ob wirklich gar nichts klappen würde. Immerhin hat sie ihre Ernährung umgestellt und würde bis zu fünf Mal die Woche Sport treiben. Sie schien sehr diszipliniert zu sein. Es war unmöglich, dass sie keinen Erfolg erzielen konnte.

Und da war er, der erste Erfolg: „Na gut, also ich habe schon 2 kg abgenommen, meine Hose passt mir wieder und meine Mutter sagte mir, dass mein Bauch schon flacher sei.“

Ihre Selbstwahrnehmung schien mir ziemlich verzerrt zu sein. Bereits nach den ersten 10 Minuten konnte sie sich mir öffnen. Ihre Problemzone ist der Bauch, „der muss weg“. Mir war sofort klar, dass es sich hierbei um weitaus mehr handelt, als um den Wunsch abzunehmen. Ich hakte nach „Was passiert, wenn du keinen Sixpack hast“. Ihre Antwort „Na, dann bin ich nicht schön. Das entspricht nicht dem Schönheitsideal.“ Sie öffnete sich weiter und erzählte mir von ihrer Hauterkrankung: „Siehst du meine Narben am Hals, das geht runter bis zum Bauch; da ist es am schlimmsten. Das ist so hässlich. Ich werde immer auf diese Narben angesprochen.“ Ich hatte eine Vermutung: „Wenn du in den Spiegel schaust und deinen Körper mit deinen Narben siehst, was denkst du?“ Ihr Antwort: „Ich bin hässlich“. Mit dem Wunsch einen Sixpack zu haben, versuchte sie sich „schön zu machen“. Denn ein Sixpack bedeutete für sie attraktiv zu sein. Narben hingegen empfand sie als hässlich. Sie hatte ihre (überwundene) Krankheit (noch) nicht akzeptiert. Nach einer halben Stunde hatten wir erkannt, dass nicht der Bauch das eigentliche Problem war.

V. ist äußerst diszipliniert. Ihre Ernährung geht mit Verboten und Verzicht einher. Im Vorgespräch berichtete sie mir, dass sie weder Stress noch Verdauungsbeschwerden hätte, was den Abnehmprozess erschweren könnte. Ich glaubte ihr nicht: „Kann es sein, dass du dir ziemlich viel Druck machst?“ V. antwortete: „Ja, kann schon sein … Also am Wochenende z. B. wollte ich eigentlich einen Krapfen essen, aber ich darf ja nicht. Und am Sonntag habe ich Kaiserschmarrn gegessen. Ich habe es direkt bereut und bin danach sofort ins Fitnessstudio gefahren.“ Daraufhin fragte ich sie: „Was passiert, wenn du Krapfen oder Kaiserschmarrn ist?“ „Ich weiß, man darf sich belohnen. Aber das ist für mich eher eine Bestrafung. Ich habe das Gefühl mit Essen bestrafe ich meinen Körper. Ich bekomme sofort einen Blähbauch; mein Bauch ist dann noch größer. Am liebsten würde ich gar nichts mehr essen.“ Meine Alarmglocken gingen sofort an: Generalisierung. Alle Lebensmittel blähen sie auf. Und wieder ist nicht der Bauch an sich ihr Problem, sondern der Blähbauch. Nach dieser Erkenntnis haben wir erörtert, bei welchen Lebensmitteln sie einen Blähbauch bekommt und welche sie gut verträgt.

Nach einer Weile erzählte sie mir von ihrer Jugend: „Früher hatte ich kein Sättigungsgefühl. Ich habe ganz schön viel gegessen. Ich hatte auch immer weite Klamotten an; das war ganz schlimm“. Ich bemerkte, dass das nicht alles war. Irgendetwas wollte sie mir noch sagen. Ihre Augen verrieten mir, dass sie in einer Erinnerung feststeckte, die sie sehr traurig macht. Ich schaute sie an und gab ihr Zeit. „Das war echt schlimm. Andere streichelten sogar über meinen Bauch und fragten mich wie weit ich sei. Sie glaubten ich wäre schwanger. Aber mein Gott, ist halt so. Da war das und dann das mit meinem Papa. Mein Papa ist gestorben und dann auch mein Bruder. Da spürte ich kein Sättigungsgefühl. Ich habe echt viel gegessen. Aber ist (!) halt so.“ Sie sprach in der Gegenwart. Meiner Meinung nach alles Erlebnisse, die sie bis heute nicht verarbeitet hat; Erlebnisse, die sie bis heute nicht „verdaut“ hat. Erlebnisse, die sie mit eiserner Willenskraft versucht zu unterdrücken. Der Bauch als Spiegel ihrer unverarbeiteten Erlebnisse und Erfahrungen.

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Am Ende des Termins bezog ich mich auf den Ausgangssatz: „Irgendwie klappt gar nichts.“ Offensichtlich klappte schon eine ganze Menge. Ich wiederholte, was sie mir im Gespräch erzählt hatte und führt ihre Erfolge nochmals auf. Sie schien ziemlich stolz auf sich zu sein. Zum Abschluss stellte ich ihr folgende Frage: „Was nimmst du aus diesem Gespräch mit?“ Ihre Antwort hat mich berührt: „Ein Erfolg ist ein Erfolg. Da hast du sowas von Recht. Und ich sollte…äh….ich bin geduldiger mit mir selber und den einen Satz, erst annehmen, dann abnehmen, den fand ich ziemlich gut.“

Das Gespräch hat mir wieder einmal gezeigt, dass Coaching der richtige Weg ist. Ich bin immer wieder geflasht, wie bereitwillig sich meine Klienten mir gegenüber öffnen und was am Ende des Gesprächs herauskommt. Der Ursprung aller Ziele und Wünsche liegt meist tiefer als wir denken. Für mich gibt es nichts Spannenderes und Aufregenderes als tiefgründige Gespräche zu führen. Rapport, Pacing, Leading, Augenzugangshinweise und mein liebstes Format, das Metamodell, sind Tools, die ich nahezu täglich anwende. Ich bin sehr dankbar für diese Ausbildung. DANKE!

Autorin des Fachartikels „NLP im Alltag integrieren“ ist Anna-Lena Hauber, NLP Practitioner bei der Coaching und Training Akademie in Augsburg.